Ersatzteilkrimi mit malawischen Improvisationen

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Papi, warum ist der Motor draussen?

Papi, warum ist der Motor draussen?

09.05. – 14.05.  Manchmal hilft es einem, sich den Frust von der Seele zu schreiben, einfach so, um es mal los zu werden. Aber der resultierende seelische und fachmännische Beistand aus der Heimat meines letzten Artikels hat noch mehr geholfen. Vielen Dank dafür. Und richtig, irgendwie geht es immer weiter, sogar mit Grisu ;-).

Was ist in den letzten Tagen passiert? Ich hoffe, es noch einigermaßen auf die Reihe zu bekommen, denn es ging schon richtig rauf und runter:

Wir standen vor einigen kleineren und größeren Problemen. Grisu steht im „Mabuya Camp“, ein schöner Platz aber eben keine Werkstatt. Folglich galt es entweder das nötige Werkstattequipment zu Grisu zu schaffen oder Grisu zu einer Werkstatt. Allerdings wollte ich nach allen Erfahrungen mit Werkstätten doch lieber den Großteil der Schrauberei selbst machen, und der Platz war definitiv schöner (mit Swimmingpool, Bar, heißen Duschen, etc…) als ein Werkstatt je sein könnte. – Übrigens geht das Gerücht um, ich würde nach der Heimkehr, anstelle eines Reiseberichts einen Werkstattführer für Afrika schreiben. Glaube ich aber noch nicht. 🙂 –
Darüber hinaus musste natürlich das Ersatzteilproblem gelöst werden. Zunächst hatte ich daher versucht einen Werkstattplatz zu finden, in dem ich mit etwas fachmännischer Unterstützung den Motor in Ruhe zerlegen könnte. Nachdem dafür aber fast ein ganzer Tag erfolgloser Suche draufgegangen war und jede Werkstatt auch nicht weniger staubigen Boden hatte als unser Camp, entschieden wir abends, die Werkstatt kurzerhand ins Camp zu verlegen. Also begann ich Grisus Motor – mittlerweile ja schon in gewohnter Weise – von oben zu zerlegen. Aber alle Versuche zwischenzeitlich ein vernünftiges Hebewerkzeug für den Motor zu organisieren schlugen leider fehl. Also musste kurzfristig eine Improvisationslösung gefunden werden. Die naheliegendste war, Holzpfeiler zu kaufen, die lang genug waren, um sie über den Motor zu legen und auf beiden Seiten möglichst vielen Leuten Platz zum Anheben boten. Nachdem der erste Versuch mit vier Personen kläglich gescheitert war, musste das Wochenende abgewartet werden, um mit der gesamten Belegschaft des Camps und einigen Gästen am folgenden Montag dann den Gewaltakt zu schaffen. Irgendwie erinnern mich die Bilder an die Sänftenträger historischer Expeditionen. Und es klappte. Der Motor war endlich raus. Aber nun war auch klar, dass dies für den Einbau nicht die richtige Methode war, denn der Einbau wird deutlich präziser und langsamer von statten gehen müssen. Die erste große Hürde war aber genommen. Wieder war ich zum Warten verdonnert, denn trotz aller Improvisationskunst, mit der wir versuchten einen Abzieher für das Kurbelwellenrad zu bauen (u.a. mit unserem 12 Tonnen Wagenheber), bewegte sich das dumme Ding nicht. Und obwohl auf dem benachbarten Grundstück ein entsprechendes Werkzeug vorhanden war, mussten wir einen geschlagenen Tag auf die Erlaubnis warten, ihn zu benutzen… Tagsdrauf war auch das geschafft. Aber mittlerweile waren ja auch Tage vergangen, in denen ich den fleißigen Helfern in Deutschland keinerlei Details für die Ersatzteilsuche geben konnte. Endlich war dann die Kurbelwelle draußen. Sie wurde flugs zur hiesigen, erstaunlich gut ausgerüsteten Motoreninstandsetzungsfirma gebracht.

afrikanische Motorsänfte

afrikanische Motorsänfte

schwerer als erwartet

schwerer als erwartet

endlich ist der Motor draussen

endlich ist der Motor draussen

Mir fiel ein Stein vom Herzen, als als erstes Ergebnis feststand, dass die Kurbelwelle noch weiter zu verwenden war. Sie war bisher noch nicht behandelt und somit konnten alle Lagerzapfen noch ausreichend geschliffen werden.
Mit den nötigen Maßen versehen, wusste ich bereits, dass Kurbelwellenlager in Deutschland erhältlich waren. Aber ausserdem eröffnete mir der fachkundige Instandsetzer, dass die Kurbelwelle offensichtlich die Gleiche sei, wie sie in den zahlreich hier herumfahrenden TATA Bussen und LKWs verwendet wird. Kein Wunder, denn in diese indischen Fahrzeugen wurden in Lizenz gebaute Mercedes Motoren eingebaut;  und zwar das Nachfolgemodell unseres Motors. Hatte ich mich wenige Tage zuvor noch maßlos darüber aufgeregt, dass die Motorteile in unserem Motor teilweise nicht den Maßen meines mitgeführten Ersatzteilkataloges entsprachen, war ich jetzt heilfroh. Denn in den späteren Produktionsjahren unseres Motorenmodells OM312 wurde die Kurbelwelle des Nachfolgemodells OM321 verwandt. Das eröffnete ungeahnte Möglichkeiten. Und schon war ich unterwegs zur hiesigen TATA-Niederlassung. Glücklicherweise ist Lilongwe so überschaubar, dass man viele Orte zu Fuß erreichen kann. Zumindest wenn man sich auskennt…
Da ich mich nicht auskannte, stand ich mit schmerzhaft platten Füßen in der großen, leeren Eingangshalle der TATA-Niederlassung.  In einer kleinen Ecke der Halle lukten aus einer kleinen Nische die Ersatzteilspezialisten hervor. Sie verwalten hier, die spärlichen Lagerbestände, die durch gelegentliche, unterminierte Containerlieferungen aus Indien – scheinbar willkürlich – aufgefüllt werden. So versuchte ich mein Glück mit den mitgebrachten Musterlagerschalen. Nach einigen langen Minuten Wartezeit konnte ich mein Glück kaum fassen. Ich hielt einen Satz passender Kurbelwellenlagerschalen in der richtigen Reparaturstufe in den Händen. Und wenn ich ein Beispiel für die benötigte Zylinderkopfdichtung und Pleuellagerschalen brächte, könnten Sie mir die sicher auch aus dem Lager holen, eröffnete mir der nette Mitarbeiter. Sollte es tatsächlich die Möglichkeit sein, ohne Ersatzteilpaket aus Deutschland unseren Grisu in Kürze wieder flott zu kriegen? Mich erfüllte eine rauschende Hochstimmung. Bei näherer Betrachtung des Kurbelwellensatzes viel aber auf, dass leider eine wichtige Lagerschale fehlte. Das Passlager war nicht dabei. Angeblich würden im TATA keine eingebaut.
Trotz allem Recherchiren war im Lager nichts aufzutreiben. Schade, damit musste es doch ein Paket aus Deutschland geben. Das Hochgefühl wich einer großen Enttäuschung. Dennoch machte ich mich auf zurück zum Camp, um die Muster für Dichtung und Pleuellager zu holen. Der zwischenzeitliche Anruf in Deutschland bescheerte eine weitere Ernüchterung. Bislang waren keine passenden Pleuellager gefunden worden. Ohne die wird’s nichts mit der Reparatur. Aber da war ja noch der TATA-Händler. Zurück mit den Mustern war auch hier die Ernüchterung niederschmetternd und die Stimmung wieder am Tiefpunkt. Pleuellager gab es nur in der Standardgröße, die uns nichts nutzt. Die Reparaturstufen seien seid Wochen in Indien bestellt, aber keiner weiß, ob und wann der Container kommen soll… Eine Zylinderkopfdichtung gibt es wg. der kleineren Kolbengröße unseres Motors dann natürlich auch nicht, aber das machte den Braten auch nicht mehr fett. Nach zwei weiteren erfolglosen Versuchen in anderen Ersatzteilläden, kam ich mit platten Füßen wieder im Camp an. Noch keine neue Nachrichten aus Deutschland. Ach doch, in Deutschland sei Donnerstag Feiertag, danach Brückentag, also würde es frühestens Montag Neuigkeiten geben und auch mit dem Versand von Kurbelwellenlagern und Kopfdichtung würde es vorher nichts… Aber der Countdown läuft. Am 28. diesen Monats wollen wir an den Victoria Fällen sein, um meine Eltern zu treffen. Wir brauchen dorthin voraussichtlich vier Tage. D.h. am 24. sollten wir hier losfahren oder zumindest mit allen Reparaturen fertig sein.

Die Kurbelwelle konnte ich am nächsten Tag schon wieder abholen, geschliffen gereinigt, alles war sauber erledigt. Aber es lies mir keine Ruhe, angesichts der vielen fahrenden TATAs musste es doch eine bessere Ersatzteilversorgung geben. Und tatsächlich, schließlich fand ich doch noch einen Händler, eine der vielen kleinen, holzverschlagenen Fundgruben, der einen letzten Satz Pleuellager in der richtigen Reparaturstufe hatte. Aber auch dieser hatte wiederum einen Haken. Aus irgendeinem Grund sind die Lagerschalen im Nachfolgemotor schmaler als unsere. 3mm fehlen in der Breite. Ob das tatsächlich nachteilig ist, darüber scheiden sich die Geister der gefragten Experten. Sollte es in Deutschland aber kurzfristig keinen passenden Ersatz geben, ist das eine Lösung, um Grisu fahrtüchtig zu bekommen.

Während ich mich Tag für Tag der lokal verbreiteten Hautfarbe immer mehr angenähert habe, denn ich war ja noch nie zuvor wortwörtlich so tief in unseren Motor eingedrungen, lebten sich die drei Mädels hervorragend im Camp ein. Auch wenn kaum jemand so lange hier verweilt, wie wir, gab es bislang doch zahlreiche unterhaltsame Kontakte. Auch ein paar bekannte Gesichter sahen wir wieder. Zwischendurch wurden wir zu einem etwas terminlich desorientierten „Thanks-Giving-Dinner“ eingeladen. Und die Kinder waren froh nach der Schlachtung eines Hühnchen, nun auch zusehen zu können, wie ein Truthahn geschlachtet wurde. Ich hätte nicht gedacht, dass die Nähe zur Natur, diese Auswüchse bei den kleinen Damen hervorruft. Darüber hinaus geniessen die Kinder natürlich den Pool, die Gesellschaft vom kleinen Leo (Sohn der Besitzer) und versorgten uns sogar mit selbst gezauberter Suessspeise. Die wiederum den Namen in der Tat verdiente (zähnekräuselnd suess).

Mittlerweile müssen Johanna und ich, wenn wir ausnahmsweise mal nicht wollen, dass die Kinder unsere Unterhaltung verstehen, auf eine dritte Sprache ausweichen. Denn auch wenn Julia und Ronja Englisch fast ausschließlich mit anderen Kindern sprechen, bei Erwachsenen trauen sie sich nicht, verstehen sie fast jedes Wort. So passiert es immer wieder, wenn wir uns mit anderen Reisenden unterhalten und erlebte Begebenheiten auf englisch berichten, dass die Kinder uns auf Deutsch anschließend erklären, welche Details wir bei der Schilderung vergessen haben…

Julias Suesspeise

Julias Suesspeise

trotz allem wieder gut drauf

trotz allem wieder gut drauf

Zurück zum Motor: Bevor irgendetwas wieder zusammengebaut werden kann, muss der Motorblock natürlich gründlich gereinigt werden. Da dazu Hochdruck und nicht gerade umweltverträgliche Substanzen verwendet werden müssen, galt es nun, einen entsprechenden Dienstleister zu finden. Als naheliegendstes fragte ich natürlich bei der Instandsetzungsfirma, Constantini Ltd. an. Nein, sie würden so etwas eigentlich nicht machen… Doch auch der nächste Vormittag lies in der Stadt keine Alternative auffinden und so lies sich der nette Herr Steward dann doch noch überreden. Dafür müsste der Motorblock jedoch komplett leer sein. Bislang hatte ich Einspritzpumpe und Nockenwelle nicht ausbauen wollen. Zügig aber dennoch mit schwerem Herzen zerlegte ich den Rest des Motors. Bis jetzt habe ich keine Ahnung, ob ich insbesondere die Motorsteuerung wieder so zusammen bekommen werde, wie es sein muss. Aber dafür war der Motorblock gestern abend schon wieder gereinigt zurück. Erstaunlich wie leicht der Block ist, wenn nichts mehr drin ist. Zudem konnte ich mit fachkundiger Hilfe prüfen, ob der Block oder die Zylinder einer Bearbeitung bedürfen. Erfreulicherweise ist beides nicht der Fall. Und noch etwas erfreuliches brachte der gestrige Tag. Nach einigen Monaten Rätzelraterei scheint die Ursache für den Ölverbrauch nun gefunden zu sein. Trotz äußerer Unversehrtheit sind die Ölabstreifringe so abgenutzt, dass das erlaubte Spiel um das 3-4 fache überschritten ist. Ich bin heilfroh endlich die Ursache zu kennen, auch wenn damit nun das nächste Ersatzteilproblem verbunden ist, denn die Kolbenringe sind zumindest bei Mercedes auch in Deutschland nicht mehr erhältlich und müssten nachgefertigt werden. Das dauert definitiv zu lange. Aber wir haben ja sehr hilfreiche und rührige Freunde, die uns heute noch Bescheid geben wollen, ob im eigenen Bestand oder im privaten Umfeld der Oldtimerfreunde vielleicht noch ein Satz Kolbenringe zu finden ist. Sollte es nicht der Fall sein, könnten wir immer noch mit dem alten Vorsatz, den Ölverbrauch zu akzeptieren, die Reise fortsetzen und die alten Ringe verwenden. Sicherlich ist das aber die weniger schöne Alternative, denn schließlich ist nun alles entsprechend zerlegt. Um keine Möglichkeit unversucht zu lassen, durchstöberte ich die Ersatzteilhändler, fast alle indischer Herkunft, nach passenden Ölabstreifringen anderer Motoren. Kurzzeitig schien ein alter Landrover-Motor in Frage zu kommen, aber bei genauem Vergleich, waren dessen Ölabstreifringe zu dünn und nun warten wir auf die Antwort aus Deutschland. Zu allem Überfluss gibt es Hoffnung auf eine günstige, schnellere Postverbindung zwischen Deutschland und Malawi, aber das kann ich hier nicht weiter thematisieren. Auf jedenfall würde es uns im Kampf gegen die Zeit deutlich Rückenwind geben.

erfreulich oder erschreckendes Bild?

erfreulich oder erschreckendes Bild?

Ziel erreicht: Kurbelwelle raus

Ziel erreicht: Kurbelwelle raus

Motorblock ganz leer

Motorblock ganz leer

Nun, wie man bei dem ganzen Schrauberlatein vielleicht erkennen kann, scheint gesichert, dass wir den Motor lauffähig bekommen und mit etwas Glück sogar vollkommen überholt, um den Rest der Reise dann noch mehr genießen zu können. In diesem Sinne, vielen Dank für die vielen unterstützenden Worte, Tipps und Taten aus der Heimat…

Ich geh jetzt erstmal mit den Kindern in den Pool und anschließend wird eine kleine provisorische Waschanlage für die Motorkleinteile und eine ebenso provisorische Werkstatt gebaut. Bleibt noch die Suche nach einem Frontlader, um nicht auch noch ein provisorisches Holzgerüst mit Seilzug für die Montage des Motors bauen zu müssen.

6 Comments

  1. Comment by Opauli:

    Hallo Ihr da unten,
    da können wir ja doch noch hoffen Euch an den Viktoroa Fällen zu treffen. Haben uns schon Gedanken gemacht, ob wir statt nach Namibia/Sambia/Botswana von Windoek nach Malawi fahren und den Schrauber gleich mitbringen. Wäre nicht so prickelnd aber was tut man nicht alles. Ich hoffe Marcel, Du bekommst den Motor wieder hin und drücke Dir und uns die Daumen. Freue mich auf Afrika und Euch.
    Liebe Grüße
    Opauli und Momalisa

  2. Comment by Annette:

    Hallo Ihr Lieben,

    schön u lesen, daß es Hoffnung gibt. Super! Also positiv bleiben hat seine Vorteile. Ihr seid Beschüzt das ist offensichtlich!
    Frage mich,lieber Marcel, was wird Dein nächster Beruf sein, oder im welchem Fachbereich Du demnächst arbeiten möchtest.

    Freue mich mit Euch auf das Wiedersehn mit Lisa und Uli! Viel Glück weiterhin. Ich denk an Euch !!!

    Lieben Gruß und Umarmung

    Annette

  3. Comment by Nils und Silke:

    YEAAAAAAAHHHHH!!! Es geht weiter!!! Wir drücken die Daumen!!!

  4. Comment by Godi M:

    Ihr 4 Lieben.

    Unglaublich, die Erfahrungen, die Ihr durchlebt und wie Gottes Segen Euch dies alles akzeptieren lässt.
    Ihr fehlt mir sehr und wir drücken all 8 Daumen und 4 Pfoten, dass Ihr es zeitlich bis zu den Viktoriafällen schafft.

    Wir haben Euch lieb und senden Kraft, Geduld und Glückseligkeit.

    Von Herzen
    Eure Börnis

  5. Comment by Fritz:

    Hallo Ihr 4, schön das ich Euch auf diese Weise weiter folgen kann. Hoffe, das noch alles zeitig fertig wird zum treffen an den V-Falls. Bin selber ohne Probleme bis Jo-burg durchgekommen und jetzt wieder in Hamburg. Liebe Grüsse Fritz

  6. Comment by yvonne:

    Super zu lesen das es doch kleine Wunder gibt!!! Denken an Euch und halten fest die Daumen das alles gut wird!!! Lg die Wichtrup`s

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