Gipfelsturm ohne Bremse
12.02.-14.02.2010 Von Rast war am in Loyiangalani nicht die Rede. Früh morgens war das Camp von reichlich Reparaturbetrieb erfüllt. Als erstes wurde das Differenzial von Hans und Ursel in Angriff genommen. Joachim hatte reichlich Vorarbeit geleistet und den Deckel demontiert. Dann wurde gemeinsam versucht das krumme Ding wieder so gerade wie möglich zu klopfen und schließlich bewährte sich die Dichtungsmasse und alles wurde wieder zusammengesetzt. Ergebnis: das Differenzial war wieder „furztrocken“. Ganz im Gegensatz dazu der Stauraum von Ingrids und Achims Truck. Ein Wasserschlauch war leckgeschlagen und hatte den gesamten Stauraum in eine Badewanne verwandelt. Aber auch hier konnte durch einen Ersatzschlauch aus Grisus Fundkammer Abhilfe geschaffen werden. Guidos VW begnügte sich mit ein paar Holzschrauben für die Inneneinrichtung. Endlich kam Grisu an die Reihe. Die örtlichen Reifenflicker (gänzlich ohne eigene Ausstattung) nahmen sich der Reparatur unseres Schleichplattens an. Unterm Auto wurden mal wieder rund 50 Schmiernippel geschmiert. Dafür fand sich leider keiner 😉 außer mir. Alle Getriebe wurden bzgl. Ölstand geprüft. Selbst das Lenkgetriebe wurde dabei diesmal seinem Stiefmutterdasein entrückt und mal nicht vernachlässigt. Der Motorölstand war mal wieder erschreckend. Aufgrund der geringen Geschwindigkeit bei gleicher Drehzahl (immer nur 2. und 3. Gang) war der Ölverbrauch noch einmal richtig gestiegen. Wir bewegten uns mit über 10 Liter auf 1000 Kilometer. Aber wir hatten unseren Vorrat großzügig bedacht. Doch nun war auch klar, dass in Nairobi Abhilfe zu schaffen sei, sofern wir soweit kommen… Klar wurde auch der Luftfilter mal wieder gereinigt. Erstmals auf der Reise folgten wir ja dauerhaft einem Fahrzeug, das auf den Pisten nicht zu wenig Staub aufwirbelte. Diesbezüglich war der starke Ostwind gar nicht schlecht, denn er blies den Staub der Vorfahrenden schnell von der Piste. Zudem wurden endlich die Schmiernippel an den Hinterachsfedern ausgetauscht, so dass nun auch dort wieder eine Schmierung vorgenommen werden konnte. Und mit dem letzten Schmiernippel verabschiedete sich leider auch ein Lendenwirbel aus der gewohnten, richtigen Position. Schöner Sch… Gut das unsere Krankenschwester für solche Fälle vorgesorgt hatte. Nach drei Tagen übelster Piste sollte sich auch das wieder eingerenken, so zeigte sich. Während all dieser Schrauberei genossen die Kinder die fließende Quelle in unserer „neuen“ Badewanne. Der erfolgreiche Tag wurde mit einem festlichen Fischmahl beendet. Das nächste gemeinsame Ziel aller acht Fahrzeuge war Maralal. Wir entschieden, wieder in zwei Gruppen zu fahren. Schließlich leiden wir noch nicht an diesem Bettfluchtsyndrom.
Die moderne Technik erlaubt es, mittels GPS nicht nur den Weg zu finden, sondern entlang der geplanten Route das Höhenprofil im Voraus zu betrachten. Keine schöne Nachricht, die das Gerät diesmal verkündete. Von der Seehöhe des Lake Turkanas auf rund 370 Metern sollte es über Bagaroi und South Horr nach Maralal gehen. Allerdings musste dabei ein 1600 und ein 2500 Meter hoher Pass überquert werden. Natürlich immer gefolgt von entsprechenden Abstiegen. Maralal liegt auf knapp unter 2000 Meter. Mir graute schon vor der Abfahrt, aber Alternativen gab es nicht. Renate startete mit Ihrer Truppe als Vorhut. Wir starteten wie gewohnt etwas später. Die Piste wurde immer steiniger und felsiger. Die Steigungen wurden mit teils hohen Felsstufen erklommen. Immer wieder begegneten wir einzelnen Turkana und später auch Samburu Hirten. Beide Stämme tragen sehr interessanten Körperschmuck, sind aber nicht weniger fotoscheu. Wir waren sehr erstaunt, wie schlecht der Pistenzustand besonders in den kleinen Dörfern Bagaroi und South Horr war.
Der Regen hatte hier tiefe Gräben in wenigen Metern Abstand in die Piste gerissen. Entgegen jeder Erwartung gab es in Bagaroi sogar kleine Tankstellen, allerdings war nicht zu erkennen, ob auch Sprit vorhanden war. Wir benötigten ja nichts, da wir reichlich gebunkert hatten. Vor uns entlud sich bereits den gesamten Morgen eine Regenfront und kurz hinter Bagaroi erreichte der Regen auch uns. Die Piste hatte er schon länger im Griff. Mit reinem Heckantrieb fing Grisu gleich gehörig an zu rutschen. Gut das die Piste in diesem Abschnitt nicht von Gräben gesäumt war. Nach kurzer Gewöhnung machte die Rutschpartie richtig Spaß. Aber plötzlich tauchte der H-Js und Liinas Landcruiser vor uns bis über den Karosserieboden in eine Schlammfütze. Doch er wühlte sich problemlos auf der anderen Seite wieder heraus. Grisu folgte ohne Probleme und kurzdrauf hatten wir die schlammige Piste auch schon hinter uns. Der Regen hatte nur ein kurzes Stück überschwemmt. Hinter Bagaroi fanden wir auf rund 1300 Meter Höhe einen gemütlichen Campplatz – wieder mal außer Sichtweite der Straße – und das abendlich SAT-Telefonat mit Renate verriet uns, dass wir trotz spätem Start nur 15 Kilometer hinter ihnen waren. Allerdings laut Renate gespickt mit recht haarigen und felsigen Steigungen, die uns somit am nächsten morgen erwarteten.
Renate hatte nicht übertrieben und an einigen Stellen nutzten wir erstmal den 1. Gang sowohl rauf als auch runter. Wäre Grisu auf diesen Stellen ins Rollen geraten, wäre mit der Handbremse nichts mehr auszurichten gewesen. Wir hielten das Bremsflüssigkeitsreservoir zur Sicherheit immer gefüllt, auch wenn es sich mit der Zeit selbst entleerte. Aber im Notfall könnte die Bremse evtl. zumindest kurzzeitig durch starkes Pumpen etwas ausrichten. Dank vorausfahrender Bremslichter und selbstgewählter Schrittgeschwindigkeit war dieser Notanker aber nicht von Nöten. Die Landschaft wechselte von einem Extrem ins andere. Während um den Lake Turkana noch Geröllwüste überwog erreichten wir kurz vor Maralal schließlich fast Alpine Landschaft. Dazwischen wechselten kahle Hügel mit savannen-artigem Bewuchs.
Wieder konnten die Kinder neue Tiere entdecken. Strauße standen in großen Gruppen am Straßenrand und zum ersten Mal konnten wir aus der Nähe einen Schakal beobachten. Gekrönt wurde die fahrerischeHerausforderung auf der Strecke vom letzten Abstieg mit 600 Metern am Stück. Unter uns lag Maralal und damit der erste Posten der kenianischen Infrastruktur. Banken und Tankstellen beendeten den diesbezüglichen Engpass. Kenianische Schilling waren in Äthiopien nicht zu bekommen. Das erreichte Camp in Maralal war schon früh von Renates Gruppe erreicht worden und so reihten wir uns auf der ungewohnt grünen, großen Wiese ein und genossen den ersten kenianischen Biergarten und die abendliche Bar. Langsam konnten meine Hände wieder trocknen. Von hier sollte es zumindest keine großen Höhenunterschiede mehr geben. Zur großen Freude der Kinder gab es sogar einen Kinderspielplatz. Weniger große Freude bereitete die kalte Dusche, aber was muss, das muss!