Schön ein Problem nach dem anderen…
06.-07.02.10 – Als wir morgens Yabello verliessen, hatte auch unser Ersatzreifen etwas Luft verloren. Aber das beunruhigt uns schon nicht mehr. Auch das Reifenflicken vertagten wir auf Konso, wo wir H.-J. und Liina an diesem Tage treffen wollten. Da in dieser Gegend auch das Handy nicht mehr funktioniert, hatten wir verabredet, dass Sie bis 12 Uhr mittags auf uns warten, falls wir bis dahin nicht da seien, würden sie voraussichtlich ohne uns starten. Wir tankten ein letztes mal voll. Da der Tankwart mal wieder nicht mit unserem Einfüllstutzen zurecht kam, übernahm ich den Job und wurde prompt im Diesel geduscht, da die automatische Abschaltung der Zapfpistole auch nicht funktionierte. Für Chris wurden 50 Liter Benzin auf unserem Dach gebunkert, noch einmal Luft aufgefüllt und los ging’s. Von nun an würde uns bis in die Mitte Kenias kein Asphalt mehr begegnen.
Kurz drauf überholten wir zwei Rucksackreisende, die einsam in Richtung Konso wanderten. Wohl gemerkt 100 km entfernt. Cleverson und H.D. wurden also kurzerhand mit eingeladen, was sich schon kurzdrauf als kleiner Glücksgriff herausstellte. Cleverson, gebürtiger Brasilianer, hat einen Faible für ausgefallenen Körperschmuck, was am ehesten an seinen mit einem Ohrring gefüllten Ohrläppchen zu erkennen war, abgesehen von seinen flächendeckenden Tattoos. Sein Ohrschmuck ähnelte dem der in dieser Region lebenden Mosi sehr, was natürlich bei jedem Äthiopier für helle Begeisterung und Erstaunen sorgte. Dafür waren wir restlichen vorerst nicht mehr so interessant und hatten wenigstens zeitweise etwas mehr Ruhe.
Wenig später stand Chris ackzelzuckend vor uns auf der Piste. Sein Motorrad hatte sich scheinbar um gute 10 cm verlängert. Zumindest klaffte nun eine gr0ße Lücke zwischen Sitzbank und Tank, wo vorher keine war. Das Heck seines Motorrads hatte sich fast vollständig vom vorderen Rahmen gelöst und damit beinahe das Motorrad in zwei Teile zerlegt. Der Motor hatte schon seine Verbindung zum Luftfilter verloren und der Auspuff war ebenfalls dabei sich zu verabschieden. Aber das schöne am Motorrad ist ja, dass alles so klein und leicht zugänglich ist, dass das ganze Maleur in einer guten Stunde wieder behoben war. Da kam das Werkzeug aus dem „Service-Truck“ Grisu auch ganz gut zum Einsatz.
Wir hatten zwar damit unsere verabredete Zeit deutlich überschritten, aber H.J. und Liina hatten trotzdem gewartet. Schließlich ging es nach erneuter Reifenreparatur und Wechsel des Gleichen auf in Richtung Turmi, wo wir am Montag den Markt des „Hamer“, einem sehr ursprünglich Volk im Süden Äthiopiens, besuchen wollten. Wir hatten die Reifenmalessen gerade vergessen und genossen die Aussicht von den letzten Ausläufern des Hochlandes, als wir am Rande des Hochplateaus vor einer fast 1000 Meter tiefen Abfahrt stehen bleiben wollten. Doch der erste Tritt auf die Bremse ging ins Leere. Erst im Nachtreten bequemte sich das nicht unwichtige Bauteil, Grisu langsam zum stehen zu bringen. Aus der Bremsanlage tropfte die Bremsflüssigkeit und mit jedem Tritt verringerte sich der Flüssigkeitsstand fast um ein Drittel. Nachfüllen half also nur noch etwas, wenn die Bremse nur noch für äusserste Notfälle gebraucht würde. Da alle Leitungen in Ordnung zu sein schienen, blieb nur noch der Hauptbremszylinder als Ursache. Eine Reparatur kam mangels Ersatzteilen bis auf weiteres nicht in Frage. Dafür kam natürlich die Frage auf, ob wir nun die hunderte von Kilometern zurück nach Addis fahren sollten, wo die Chance nicht besonders gut stand, vernünftige Ersatzteile zu bekommen und der Verkehr auf der Asphaltstraße deutlich stärker war. Außerdem hatten wir die steilen Auf- und Abfahrten ja gerade erst hinter uns gelassen. Vor uns lag – so dachten wir zumindest – diese Abfahrt und anschließend eine größtenteils flache Fahrt im niedrigen Rift-Valley. Wir kamen zu dem Schluss, dass das Risiko in beide Richtungen ähnlich wäre, aufgrund des geringeren Verkehrs und der vorhandenen Begleitung in unserer geplanten Richtung eher niedriger war. So beschlossen wir die vor uns liegende Abfahrt ohne die Hauptbremsen zu wagen und auf die Ersatzteilversorgung in Nairobi zu hoffen.
Von nun an wurde nur noch mit der Motorbremse gebremst, in bremslicheren Situationen die Handbremse hinzugezogen. Aber sechs abwärts rollende Tonnen mit einem Handbremshebel zu bremsen ist nicht ganz ohne. Abgesehen von einer ignoranten Kuh, kam es im folgenden aber zu keiner nennenswerten Aufregung. Erleichtert erreichten wir schließlich die flachen Niederungen des südlichen Äthiopiens. Langsam konnten wir uns wieder über die traditionellen Bekleidung der immer häufiger anzutreffenden Hamer freuen. Auch H.D. – eine der beiden Anhalterinnen – bekam langsam wieder Farbe und wurde gesprächiger. Von nun an fuhren H.-J. und Liina sozuagen als unser vorausschauendes Auge vorher und jede Bremsnotwendigkeit wurde mit einem kurzen Aufflackern der Bremsleuchten quittiert. Ohne diese Unterstützung, wären wir in den folgenden Tagen wohl an so manchem Schlagloch zerschellt. Gemeinsam schlugen wir 60 km vor Turmi unser erstes Bushcamp in Äthiopien auf. Hier im Süden, ist das Land deutlich geringer besiedelt, sodass durchaus schöne, einsamere Stellen zum Übernachten zu finden waren. Wir scherzten, dass es ja gut sei, dass die Probleme alle nur nach einander kämen.
Am nächsten Tag morgen war unser rechter Hinterreifen schon wieder sichtbar schlapper. Soviel zum Scherz, aber der morgens aufgepumpte Reifen hielt die Luft ausreichend lange für jeweils eine Tagesetappe. Wir erreichten bereits vormittags Turmi, obwohl auch unsere Vermutung des Vortages zur Höhenprofil kräftig daneben lag, denn bis ins Omo-Valley musste noch einmal ein Höhenzug von mehreren hundert Metern überwunden werden. Zur Belohnung fanden wir ein schönes Camp mit kühlem Bier. Es war Sonntag und die Chance, dass die „Behörden“ in Omorate 65 km weiter geschlossen hatten war nicht klein. Also entschieden wir uns, hier zu bleiben, am nächsten Tag den Markt vormittags zu genießen und erst dann die Formalitäten in Omorate und die Ausreise nach Kenia anzugehen. So entschieden, wurde der Motor wieder angeschmissen, um unter schattigen Bäumen ein nettes Plätzchen zu finden. Aber die Freude wurde jeh getrübt, denn ich vernahm ein schlagendes Geräusch vom Motor. Der Rest des Tages wurde mit der Fehlersuche verbracht.
Die Ursache für den Bremsverlust war schnell identifiziert. Was sollte es anderes sein als die Gummimanschette des Bremskolbens. Was sonst außer Gummi macht uns auf dieser Reise Probleme? Das schlagende Geräusch konnte nicht erkannt werden, stattdessen zog ich ein undefiniertes Stoffgewebe aus dem Kupplungsgehäuse. Ein Rätsel wo dieses Stück herkam… Das Geräusch war klar Motordrehzahl abhängig und kam und ging ohne eine Regel erkennen zu lassen. Schließlich beschlossen wir, dass dieses Problem auch noch in Nairobi gelöst werden könne. Hoffentlich hielt sich auch das Problem daran. Neben der Unterhaltung der immere interessierten Äthiopier stellte sich Cleverson aber auch H.D. als hervorragende Spielkameraden für die Kinder heraus. Als am frühen Nachmittag unsere „Nachhut“, Renate und Co. eintraf. War natürlich alles gerettet. Es gab mal wieder Lollies für die Kinder und Ronja konnte stolz verkünden, dass „Ihr“ Guido nun auch wieder da war. Darüber hinaus bot das Camp hervorragende Möglichkeiten eigene Lager aus Baumstämmen und allem möglichem zu bauen. Julia und Ronja genossen die ungestörte Freiheit sichtlich.